Rainer Chinnow hat einen neuen Job. Seinen Talar hängt er dafür zum Glück nicht an den Nagel!
Doch zusätzlich zu seinem Amt als Pastor der Norddörfer Kirchengemeinde nimmt er seit diesem Frühling einmal in der Woche Gäste mit auf eine Reise durch Wenningstedt.
Mit dem Pastor durchs Dorf
oder: „Man sieht nur, was man kennt“
Wenningstedt - Sylts Kleinod zwischen Dorfteich und Kliff
Dabei beginnt er gleich mit der Aussicht, die wohl für jeden Wenningstedt-Gast an der Tagesordnung steht: Von der Haupttreppe aus wandert der Blick gen England oder zumindest in die ungefähre Richtung unserer westlichen Nachbarinsel. Diese bekam der Legende nach im Jahre 449 nämlich Besuch von zwei kriegerischen Syltern: Die Brüder Horsa und Hengest sollen hier vom damaligen natürlichen Hafen Wenningstedt aus mit einem Heer nach Britannien aufgebrochen sein. „Der Straßenname Horsatal erinnert noch heute daran“, erzählt Chinnow, der im Januar sein 25jähriges Dienstjubiläum in der Norddörfer Kirchengemeinde feiern durfte.
Weiter gehts Richtung Gosch am Kliff, wo der Gästeführer natürlich von „Jünnes“ Erfolgsstory berichtet, aber eben auch von der Entwicklung des Ortes. „Als ich auf die Insel kam, war in Wenningstedt zwischen Oktober und April nichts los. Das hat sich stark gewandelt. Heute kommt wohl jeder Sylt-Urlauber mindestens einmal während des Urlaubs hier auf die Promenade.“
Vom wohl bekanntesten Ort Wenningstedts nur einen Steinwurf entfernt liegt ein Ort, an dem die meisten im Normalfall nur mal schnell vorbei fahren: Der Kapellenplatz. „Was seht ihr hier?“, fragt er in die Runde. „Nichts“ kommt schnell zurück. In der Tat, der Kapellenplatz sieht auf den ersten Blick relativ verlassen aus. Aber: „Man sieht nur, was man kennt“, kontert Chinnow und legt los. Er erzählt, warum dieser Platz Kapellenplatz heißt: Hier sollte ursprünglich einmal die Kapelle errichtet werden, die nun am Dorfteich steht. Und wofür das große Kiesfeld genutzt wird: als regelmäßiger Treffpunkt der „Sylter Bouletten“. Und was das Besondere an den teils frisch renovierten Logierhäusern ringsum ist: Sie wurden erst relativ spät gebaut und zwar an einer Stelle, an der ein Sylter sie damals wohl nicht errichtet hätte.
Schon nach kurzer Zeit merkt man, dass Rainer Chinnow hier in seinem Element ist. „Ich liebe diese Insel einfach und das möchte ich gerne weitergeben. Und gerade in Wenningstedt gibt es so viele Geschichten und so viel Wissenswertes!“ Eigentlich wollte er erst in seinem Ruhestand mit den Führungen loslegen, aber es kam anders: Es herrscht derzeit nämlich ein inselweiter Notstand an Gästeführern, so auch in Wenningstedt.
Und wo ein Notstand herrscht, kann sich ein Pastor ja zum Glück nur schwerlich raushalten…
Zwei Jahre lang hat er an dem Konzept für die Führung gearbeitet, eine Ausbildung zum Gästeführer absolviert und sich jede Menge Wissen aus Büchern und in Gesprächen angeeignet. Hinzu kommen seine persönlichen Erfahrungen und Erlebnisse aus über 25 Jahren Sylt. All das, verbunden mit seinem Talent, Menschen mit Worten zu begeistern (das kann jeder bestätigen, der ihn einmal in einem Gottesdienst erlebt hat), macht Rainer Chinnow nun zu einem wirklich besonderen Gästeführer.
In zwei Stunden führt er seine Gruppe souverän und sehr unterhaltsam durch den Ort und dessen Geschichte. Vorbei an einer besonders majestätischen Tür, an Friesenwällen, dem ältesten Haus des Ortes und dem Dorfteich bis hin zum letzten Stopp, der Friesenkapelle, verfliegt die Zeit im Nu.
Ein Tipp für alle, die Wenningstedt schon lieben oder erst einmal kennen lernen wollen.
Kurz & knapp:
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Wenningstedt - Sylts Kleinod zwischen Dorfteich und Kliff
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bis zum 20. November immer Mittwochs um 10:00 Uhr
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Die Tour beginnt am Eingang vom "Haus am Kliff“ und endet nach zwei Stunden am Steinzeitgrab Denghoog.
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Tickets für 15,00 Euro gibt es hier
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Mehr über die Friesenkapelle, dem eigentlichen Wirkungskreis von Rainer Chinnow
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Text & Bilder: Jasmin Heimberger