© Wolfgang Schmidt

Was für ein Arbeitsplatz!

Besuch bei Kurkartenkontrolleurin Rita Fezer

Text und Bilder: Imke Wein

Ende August, ein herrlicher Tag. Stahlblauer Himmel. Vier Windstärken aus West. 22 Grad. Nach einem vielfältigen Sylter Sommerwetterprogramm nun der Strandtag schlechthin. Das MAGAZIN hat Gästekarten-Kontrolleurin Rita Fezer am Hauptstrand besucht, um mit ihr über die glücklichen und die nervenzehrenden Momente ihres ungewöhnlichen Arbeitsplatzes zu sprechen. 

Ob als Rettungsschwimmer, Strandkorbvermieter oder „Kurkartenkontrolletti“ – die klassischen Sommerarbeitsplätze an der Sylter Küste lösen bei vielen Normal-Erwerbstätigen immer auch ein wenig Sehnsucht aus. Was müsste es schön sein, den ganzen Tag bei der Arbeit dem Meer so nah zu sein, immer diese Luft um die Nase, die Weite?

„Es ist – ohne Frage – eine traumhafte Arbeit. Aber wir müssen schon auch ein hohes Maß an Ausgeglichenheit, netter Autorität und unerschütterbar guter Laune mitbringen“, versichert Rita Fezer, die ab Frühjahr 2018 ihre 12. Saison am Wenningstedter Strand verbringt. Ihre Stammposition: das Kontroll- und WC-Häuschen am Übergang Seestraße.
Heute vertritt sie ihre Kollegin Gudula Röhling in dem XXL-Kontroll-Strandkorbbüro mit Panoramascheiben an der Haupttreppe. Es ist 10.20 Uhr und die kleine Rushhour der Sommerfrischler beginnt. Familien mit großem Gepäck strömen heran, ältere Stammgäste mit freundlichem Gruß, Neu-Urlauber mit Fragen aller Art. Gerne und beflissen erteilt Rita Auskünfte zu jedem Thema. Mehr als einen Satz am Stück kann man mit Rita an einem solchen Tag kaum sprechen, damit die Schlange nicht zu lang wird und die Gäste zügig in ihr Strandleben starten können.

„Wetter ist natürlich immer ein Thema, aber auch der Wasserstand ist ein Klassiker, die nächste Toilette und natürlich Tagesaktuelles aller Art“, weiß Rita, die irgendwann einmal in ihrem letzten Leben Friseurin gelernt hat. Die Schwäbin aus der Nähe von Stuttgart fand schon in den späten 70er Jahren Gefallen am Sylter Lebensstil und ist seitdem hier oben fest verwurzelt: Sie hat in Rantum Strandkörbe vermietet, in Westerland beim Tourismus-Service und in Wenningstedt beim Zimmernachweis gearbeitet. Ihr Kontrolletti-Posten für den Wenningstedt-Braderuper Tourismus-Service (TSWB) an der Seestraße ist aber genau ihr Ding: „Da gibt es über die Jahre mit den Gästen schon sehr viele nette Begegnungen“, berichtet Rita.

Lebenshilfe und philosophischer Austausch aller Art sind an dem etwas ruhigeren Strandabschnitt immer drin. Die Mitarbeiter an den Strandübergängen sind auch als menschliches Aushängeschild und Botschafter von Gastfreundschaft gefragt.

An der Haupttreppe an diesem Morgen geht es aber Schlag auf Schlag. Gerade bekommt Rita telefonisch Bescheid, dass es an ihrem Strandabschnitt für heute keine Körbe mehr zu mieten gibt. Ein entsprechendes Schild wird kurzerhand an die Scheibe ihres Häuschens gehängt. Erklärungsbedarf gibt es trotzdem. Die meisten Gäste reagieren ziemlich entspannt auf die Nachricht. „An so einem schönen Tag geht es ja auch locker mal ohne Strandkorb. Wir hätten uns ja auch früher darum kümmern können“, meint die Großfamilie aus Hamburg verständnisvoll.

Kurkartenkontrolleurin in Wenningstedt bei der Arbeit
© Imke Wein

"Wetter ist natürlich immer ein Thema, aber auch der Wasserstand ist ein Klassiker, oder die nächste Toilette"

Rita Fezer, Kurkartenkontrolleurin am Wenninsgstedter Strand

Kurkartenkontrolleurin in Wenningstedt bei der Arbeit
© Imke Wein
Kurkartenkontrolleurin in Wenningstedt bei der Arbeit
© Imke Wein
Kurkartenkontrolleurin in Wenningstedt bei der Arbeit
© Imke Wein

Wenn Rita nachmittags um 16 Uhr – bei besonders schönem Wetter auch mal um 17 Uhr – Feierabend macht, radelt sie nach Hause nach Westerland und kann dann auch das Alleinsein sehr genießen. „Manchmal sind meine Worte für eine Weile aufgebraucht, wenn ich nach Hause komme. Abends treffe ich mich mit Freunden, besuche Live-Konzerte und gehe gerne mal tanzen“, erzählt die bewährte Mitarbeiterin des TSWB. Regelmäßig zu meditieren, hat die quirlige Frau für sich entdeckt, um stets schön ausgeglichen zu sein. Rita ist jetzt 62 und würde nichts lieber als noch etliche Jahre so weiter arbeiten.

Mit einem gewinnenden Lächeln und kompromissloser Kontrollbereitschaft scannt sie von jedem neuen Strandgänger die Kurkarten, die eigentlich schon seit 2003 „Gästekarten“ heißen. Aber alles mit „Kur…“ klingt halt so schön nostalgisch. Rita Fezer ist sehr akribisch in ihrem Job, lässt niemanden – trotz der kleinen Schlange vor ihrem Häuschen – einfach so durchflutschen. An Erklärungen, warum jemand gerade seine Karte nicht dabei hat, ist ihr keine Variante unbekannt. Die ältere Dame, die am Tag vorher ihre Geldbörse am Strand verloren hat, darf aber natürlich mal eben so durch, um bei den Rettungsschwimmern zu fragen, ob das gute Stück vielleicht doch wieder aufgetaucht ist.

Man glaubt Rita sofort, dass bei dem hohen Durchlauf von ihr ein Höchstmaß an Konzentration gefragt ist. Seit einiger Zeit gibt es einen wöchentlichen Termin, an dem alle Strandarbeiter und die Kollegen aus der Verwaltung Informationen austauschen. „Es ist doch total wichtig, dass wir unseren Gästen erzählen können, wer abends im kursaal³ auftritt oder wo sie surfen lernen können und was sie da erwartet“, meint Rita dienstbeflissen.

Es ist Mittag und so langsam wird der Andrang an ihrem Kontrollposten etwas überschaubarer. Gerade erklärt sie einem jungen Paar, was es mit der Kurabgabe auf sich hat und was die Tageskarte kostet: „3,50 Euro und der ganze luxuriöse, saubere Sylter Strand mit Toilettenanlagen und Badeaufsicht gehört ihnen“, sagt Rita gewinnend und den Neu-Gästen erschließt sich diese Notwendigkeit sofort.

Dieser Artikel erschien ursprünglich in unserem Magazin

 

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