Gemeinsam leben
Im Projekt Osterwiese finden 197 Sylter ein Zuhause
Text Imke Wein | Bilder Maike Hüls-Graening
Gemeinsam leben
Im Projekt Osterwiese finden 197 Sylter ein Zuhause
Text Imke Wein | Bilder Maike Hüls-Graening
Stolz auf dieses Projekt ist die Gemeinde Wenningstedt-Braderup ganz zu Recht. Kaum irgendwo auf der Insel ist es auf so innovative Weise gelungen, Dauerwohnraum für Sylter Familien zu entwickeln. Im Laufe des letzten Jahres fanden 197 Babys, Kinder und Erwachsene in der Osterwiese ein neues Zuhause. Und kaum irgendwo lebt es sich besser. Das kann die Autorin aus eigener Erfahrung nur bestätigen. Die Osterwiese ist ein schönes, modernes und hochwertiges Zuhause, das zudem ganz neue Formen von Gemeinschaft ermöglicht.
Wenn man den kleinen geschwungenen Fußweg vom Parkplatz an Hausnummer 16 und 14 vorbeigeht, wird viel und zumeist fröhlich „gemoint“. Morgens trifft man häufig Hausmeister Fritz, der die Monate der Fertigstellung und des Einzugs aller Mieter mit viel Nachsicht begleitet hat und zusammen mit seinen Kollegen auch für das erste frische Grün auf allen Flächen sorgte. Ab mittags begrüßt man die Kinder aller Größenordnungen, die das gesamte Osterwiesen-Gelände und den zentralen Spielplatz mit einer Freiheit „bewuseln“, die man sich für Kinder erträumt.
An die 100 neue Klein- und Kleinst- Wenningstedter leben jetzt hier in fünf Doppelhäusern (die waren schon im Mai 2018 fertig) und in den neun Mehrfamilienhäusern (das letzte wurde im November 2018 bezogen) des Areals am Osterweg. In „meinem“ Haus leben fünf Familien, neun Erwachsene, zwölf Kinder. Das verheißt buntes Leben. Unter den Kindern sind schon neue Freundschaften entstanden, es werden die Claims abgesteckt, Kräfte gemessen, Ausflüge geplant, neue Spiele entwickelt, der Schulweg gemeinsam geradelt. Alle sind viel draußen, ohne Elektronik. Nur schnell rein zum Essen. So wie es sein soll – das Kindsein. Das hat was von „Bullerbü“ oder von „Lotta aus der Krachmacherstraße“ – wie es beliebt. Jedenfalls ist es idyllisch, so, dass das Herz lacht, wenn man den Nachwuchs spielen sieht.
Jedenfalls ist es idyllisch, so, dass das Herz lacht, wenn man den Nachwuchs spielen sieht.
Eine Mischung aus skandinavischer Offenheit und mediterranem Dolce Vita. Höchst sympathisch!
Und auch die Erwachsenen stehen im guten Austausch, nur etwas verhaltener als die Kinder. Im Haus 14 hat sich auf den Außentreppen – ungeachtet der Außentemperaturen – bereits eine kleine Feierabendrunde etabliert. Das sieht immer sehr gesellig aus, in einer Mischung aus skandinavischer Offenheit und mediterranem Dolce Vita. Höchst sympathisch auf jeden Fall. Schon richtig, dieses Wohnprojekt ist nicht geeignet für erklärte Einsiedler, aber für die war es halt auch nicht gedacht. Auf Dauer wird sicher auch nicht jeder mit jedem grün sein.
Das ist das Leben. Es ist ein modernes Miteinander der unterschiedlichsten Lebensentwürfe. Die neuen Nachbarn hüten gegenseitig Kinder, packen an, wenn es Unterstützung bedarf, geben einander Rat – analog und in der WhatsApp-Gruppe. Jede Wohnung in den Mehrfamilienhäusern mit ihren drei, vier oder fünf Zimmern bietet aber viel Raum und Rückzugsmöglichkeit. Man kann seine Haustür auch mal schließen – wenn man das Verlangen hat. Apropos Haustür: die ist hochwertig, wie auch die Küche, die Bäder, die Böden, die Schalldämmung.
Man spürt an jeder Ecke den Wunsch der Gemeinde, den neuen Bürgern ein würdevolles Zuhause zu bieten. Die Wertschätzung gegenüber den Neubürgern spiegelt sich auch in den „Soft Skills“, in der Einladung zu einem Cometogether mit Speis und Trank im kursaal³ für alle Mieter oder darin, dass Bürgermeisterin Katrin Fifeik und die anderen Bauverantwortlichen die Schlüssel, Brot und Salz zum Einzug persönlich überreichten. Für alles, was an den Gebäudennoch nicht perfekt war, hat das Gemeindebüro eine Mängelliste erfragt, die nach und nach abgearbeitet wird. Das ganze Paket ist sehr besonders und alles andere als selbstverständlich, konstatiert man als Mieter dankbar.
Als die Umzugsaufregung sich im späten Herbst gelegt hatte, trafen sich einige Mieter, um Visionen lebendig werden zu lassen. Themen wie die Anschaffung von gemeinschaftlich genutzten
Pool-Fahrzeugen, gemeinsame Feste oder die ökologisch sinnvolle Bepflanzung der Grünflächen sind ein gutes Experimentierfeld für gelebten Gemeinschaftssinn: Es ist der erklärte Wunsch der Gemeinde, dass die Bewohner Themen im Wohnprojekt selbst angehen, wie zum Beispiel die Idee, die Grünflächen mit Obstbäumen, vielleicht Kräuter- und Gemüsebeeten zu gestalten. Auch die Umsetzung von Visionen hat bekanntlich Haken und Ösen, aber das gehört beim Zusammenleben in jeglicher Form dazu. Die Basis könnte jedenfalls nicht besser sein...
Schon vor elf Jahren, nach ihrer ersten Wahl, wollte Bürgermeisterin Katrin Fifeik mit ihrem politischen Team ein Wohnbau-Projekt entwickeln, um dem bedrohlichen Mangel an bezahlbarem Wohnraum für Sylter etwas entgegenzusetzen. Es galt, etliche Brocken aus dem Weg zu räumen: Zunächst wurde lange mit der BIMA (Bundesanstalt für Immobilienaufgaben) um das Grundstück, eine 12.000 m² große Wiese am Osterweg, verhandelt, bis man sich handelseinig wurde. B-Plan-Änderungen und andere Widrigkeiten schluckten ebenfalls Zeit. Dann lief es rund: Die Planungsphase ging über 1,5 Jahre und war auch darum fruchtbar, weil Gemeinde und Tourismus-Service durch den Neubau des „Haus am Kliff“ viele Erfahrungen sammeln konnten, die sinnvoll eingebracht wurden. Ein Gremium aus Technikern, Bauprofis und Ortsparlamentariern begleiteten die Planungsphase engmaschig. Es entstand die Vision von einer relativ kleinteiligen, hochwertigen Bebauung, von großzügigem Wohnraum für Familien zu bezahlbaren Konditionen, aber eben kein sozialer Wohnungsbau. Die Ausschreibung gewann ein Dreier-Konsortium der Firma Höft, Höft Sylt und Building Complete Solutions, die das ganze Projekt als Totalübernehmer umsetzten. 15,4 Millionen Euro investierte Wenningstedt in die Osterwiese – und viel Energie und Idealismus. Die Mieteinnahmen werden das Vorhaben komplett refinanzieren. Die letzten Bewohner zogen am 1. November ein. Über 430 Bewerbungen gab es für 57 Wohneinheiten. Die Mieter wurden nach einer strengen, objektivierbaren Matrix ausgewählt.
Dieses Wohnprojekt ist nicht geeignet für erklärte Einsiedler, aber für die war es halt auch nicht gedacht.
Übrigens: Zwei weitere Bauprojekte für Sylter sind in Wenningstedt noch in der Pipeline.
Im Osetal, gegenüber der Strandkorbhalle, ist ein Neubau geplant. Dort könnten Personalwohnungen gebaut werden.
An der Westerlandstraße, wo früher die Tourist-Info ihren Sitz hatte, werden seniorengerechte Wohnungen entstehen.
Dieser Artikel erschien ursprünglich in unserem Magazin
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